Das ehemalige k. u. k. Telegrafenamt am Wiener Börseplatz wurde 1873 errichtet und bis 1996 von der österreichischen Post genützt. Zwischen 2008 und 2012 stellte der Grazer Immobilienentwickler „Immovate“ im Zuge eines Kunstsponsorings das Gebäude für das von Paulus Manker inszenierte Polydrama von Joshua Sobol „Alma – A Show Biz ans Ende“ zur Verfügung. Aus Sicht der Tragwerksplanung, der statischen Berechnungen und vor allem der baulichen Umsetzung waren beim Bauvorhaben Börseplatz 1 mehrere besondere Herausforderungen zu bewältigen:
Erdbebenanalyse
Im Zuge einer umfassenden Erdbebenanalyse wurde das gesamte Objekt in einer komplexen 3-dimensionalen Untersuchung geprüft. Dabei wurden der Zustand vor und nach den Umbaumaßnahmen untersucht. Im Zuge einer ingenieurmäßigen Auswertung konnten die maßgebenden Elemente der Struktur in beiden Zuständen festgestellt werden. In diesem Zusammenhang wurden entsprechende Verstärkungsmaßnahmen definiert, um den Nachweis der erforderlichen Zuverlässigkeit des Gebäudes zu erbringen.
Parkgarage
Für den Einbau der Parkgarage im 2. und 3. Untergeschoß wurden diese vollständig umgebaut, mit neuen Stahlbetondecken versehen und große Unterfangungsträger unter den massiven Ziegelmauern eingezogen, um die kompletten Gebäudelasten abzutragen. Da ein Einbau von Stahlträgern aufgrund der erforderlichen Größe, des Gewichtes und der eingeschränkten Erreichbarkeit ausschied, wurden die Unterfangungsträger in Stahlbeton geplant und ausgeführt. Besonders die Verformungen der Träger im Zusammenspiel mit dem darüber befindlichen Mauerwerk waren dabei zu berücksichtigen.
Technik (Kollektor) Untergeschoß
Es sei noch auf den Kollektor verwiesen, der das komplette Gebäude unterhalb des 3. Untergeschoßes quert, um alle haustechnisch erforderlichen Leitungen unterzubringen. Dieser Bereich ist nach der Fertigstellung nur noch für Wartungspersonal sicht- und begehbar, stellte jedoch in der Planung und Umsetzung eine große Herausforderung dar und verlangte nach einer entsprechenden Unterteilung in Bauabschnitte.
Deckenausbau 4. Obergeschoß
Ein weiterer wesentlicher Bauteil war die neu eingezogene Stahlbetondecke über dem 4. Obergeschoß. Im Verhältnis zur Spannweite musste mit einer relativ geringen Konstruktionshöhe gearbeitet werden, um die erforderliche Raumhöhe für die Galerien in den Saalgeschoßen und den darüber befindlichen Dachgeschoßausbau zu erzielen. Es wurde eine Stahlbetondecke mit Unterzügen von sehr geringer Eigenhöhe vorgesehen, sodass diese eine Bewehrungsführung ermöglichen, ohne mit der flächigen Deckenbewehrung zu kollidieren. Die Verformungsnachweise der Konstruktion waren auch hier maßgebend. Zudem fanden aufgrund der relativ knapp angesetzten Bauzeit in allen Geschoßebenen des Gebäudes unterschiedliche Baumaßnahmen gleichzeitig statt, was eine enge Abstimmung zwischen dem Planungsteam und den ausführenden Baufirmen erforderte.
Wir freuen uns, dass der geschichtsträchtige Prachtbau im neuen Glanz erstrahlt. Neben luxuriösen Wohnraum mit kaiserlichem Charme für 36 EigentümerInnen stehen im Erdgeschoß Büroflächen zur Verfügung.
Factbox
Unser Beitrag: Tragwerksplanung, Baustellenkoordination, Prüfingenieur
Planung: hochform Architekten ZT GmbH & Architektur-Consult ZT Gesellschaft m.b.H.
Auftraggeber: ARGE Architektur Börseplatz 1
Fotos: © Georg Krewenka